Hängengeblieben an Weihnachten?
Kamen Sie / kamst Du gut durch die Advents- und Vorweihnachtszeit? Und sind Sie / bist Du an Weihnachten angekommen oder irgendwo oder irgendwie hängengeblieben?
Hier finden sich Gedanken, Fragen und Impulse mit Blick auf Personen der Weihnachtsgeschichte.
Hätte diese Geschichte vielleicht anders ausgehen können?
Wo hätten Maria und Josef, die Wirte, die Hirten oder die drei Weisen aus dem Morgenland hängenbleiben können?
Und was könnte das für mich und mein „Hängenbleiben“ heißen?
Maria und Josef
Wo hätten Maria und Josef hängen bleiben können?
In der Bibel steht: Auf den Weg nach Bethlehem mussten sie sich machen, weil es einen Befehl des römischen Kaisers gab:
„Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde…“ (Lukas 2,1)
Ob Maria insgesamt die ganze Geschichte mit Schwangerschaft und Geburt von Jesus wirklich hätte ablehnen können, darüber könnten wir lange überlegen und diskutieren…
Die Bibel berichtet, dass sie sich hineingegeben hat:
„Siehe, ich bin des Herrn Magd; mir geschehe, wie du gesagt hast.“ (Lukas 1,38)
Dabei wartete einiges auf sie… Schwangerschaft vor der Hochzeit. Kind nicht von Josef. Wer sollte ihr das glauben? Was bleibt an ihr hängen?
Nicht nur öffentliche Ächtung, sondern sogar Gefahr um Leib und Leben hätten Ihr wahrscheinlich gedroht…
Wenn Josef sie hätte hängen lassen…
Josef, ja Josef: Hätte er nicht menschlich wie rechtlich nachvollziehbar gehandelt, wenn er gesagt hätte: Das wars! Es wurde eindeutig eine Grenze überschritten…?
Doch Josef tat das nicht. Er hing an Gott – und er hing an seiner Maria.
Nach der Schwangerschafts-Nachricht wollte er Maria zwar heimlich verlassen, um sie zu schützen…
Dann bekam er eine Nachricht von Gott, dass alles so stimmte, was Maria gesagt hat. Daran hängte er sich… und machte sich mit ihr zusammen auf den Weg…
Auf einen beschwerlichen Weg...
Nicht nur die ca. 140 km mit der hochschwangeren Maria in seine Heimatstadt…
Sondern auch der innere Weg war herausfordernd mit all den Fragen, Erwartungen, Sehnsüchten, Verletzungen, Unsicherheiten…
Was wird wohl werden? Wie wird es werden?
Was vor dir liegt wird niemals größer sein
als Gott, der hinter dir steht.
(Autor unbekannt)
Woran hing Josef mehr? Woran hängen wir mehr?
An unseren Sorgen und Ängsten, Verletzungen, Unklarheiten und Unsicherheiten? Oder an unseren Sehnsüchten und Hoffnungen, die mal hilfreich und ein andermal auch hinderlich sein können?
Wie gehen wir mit Veränderungen um, die unverhofft kommen? Können wir da getrost weiter gehen oder bleiben wir hängen? Haben wir den Mut, uns gerade da an Gott und seine Verheißungen zu hängen? Und wenn wir ihn und seine Worte nicht hören? Welchen Weg gehen wir dann?
Ob für Maria und Josef immer alles klar war, wissen wir nicht. Aber sie haben versucht, sich an den Herrn zu hängen: „Siehe, ich bin des Herrn Magd…“ – und später, dann im Stall, wird berichtet, dass Maria all die Worte „behielt“, die die Hirten von den Engeln gehört und weitergesagt hatten, und in ihrem Herzen bewegte…
Woran halte ich mich? Was will ich behalten?
Woran hänge ich mich? Was hält mich?
Die Wirte
Woran könnten denn die Wirte gehangen haben?
Was könnte ihnen wichtig gewesen sein?
In all dem Trubel war vielleicht alles zu voll. „Kein Raum in der Herberge“. Kein Platz mehr. Keine Kapazität mehr. Der Alltag zu durchgeplant und dann gibt es einfach irgendwo eine Grenze...
Wann und wo haben oder hätten wir eigentlich Platz für Unvorhergesehenes? Wann und wo haben oder hätten wir denn Platz für Gott? Wann hören bzw. erhören wir sein Anklopfen? Und welchen Raum können bzw. wollen wir ihm dann bieten?
Komm, o mein Heiland Jesu Christ, Meins Herzens Tür dir offen ist.
Ach zieh mit deiner Gnade ein; Dein Freundlichkeit auch uns erschein.
Dein Heilger Geist uns führ und leit den Weg zur ewgen Seligkeit.
Dem Namen dein, o Herr, Sei ewig Preis und Ehr.
(EG 1,5 „Macht hoch die Tür“)
Spannend ist es ja, dass wir aus der Weihnachtsgeschichte lesen können, dass Gott keinen Palast erwartet, sondern im Stall, in der Krippe zur Welt kam…
An dem kleinen, ungemütlichen Platz, den er bekam…
Die Hirten
Wie und wo hätten sie hängenbleiben können?
Sie waren sozial abgehängt von der Gesellschaft, waren die untere Schicht, hatten einen Knochenjob für wenig Lohn, hüteten tagein und tagaus nur die Schafe…
Ob sie so etwas erwartet haben? Dass ihnen, gerade ihnen, in dieser besonderen Nacht Engel erscheinen?
Dass Gott gerade zu ihnen spricht?
Wann und wo habe ich zuletzt oder jemals Gott reden hören? Kenne ich seine Stimme? Oder kenne ich (nur) Zeiten, in denen Gott schweigt? Erwarte ich (überhaupt) etwas anderes?
Manche Theologen nennen die Zeit zwischen dem Propheten Maleachi und der Geburt Jesu die „stummen Jahre“. Über 400 Jahre war kein Prophet aufgetreten…
Und nach dieser langen Zeit hören die Hirten plötzlich eine himmlische Botschaft. Mitten in der Nacht.
Hätten sie eigentlich liegenbleiben können?
Hätten sie alles als wirren Traum abtun können?
Hätte ihre Pflicht (Hüten der Schafe) sie festhalten können?
Oder andere verständliche Fragen oder Bedenken, ob das alles Wirklichkeit sein könnte? Ja, Ja, Engel sind gekommen und gerade uns soll heute der Heiland geboren sein…?
Ich bin anders als du denkst.
Näher als du glaubst.
Bin der Wind in deinen Segeln,
wenn du Luft zum Atmen brauchst.
(Samuel Harfst)
Sie sind eben nicht sitzen oder liegen geblieben, sondern haben sich auf den Weg gemacht, haben sich antreiben lassen…
„Lasset uns sehen in Bethlehems Stall,
was uns verheißen der himmlische Schall…“
(EG 48,2 „Kommet, ihr Hirten“)
Die Weisen aus dem Morgenland
Sie hatten von allen bekannten Krippenbesuchern den weitesten Weg.
Hätten überall hängenbleiben können…
Es ist ja schon spannend, dass Gott heidnischen Wissenschaftlern, Sterndeutern sozusagen mitten in der Arbeit begegnet. In ihrem Fachgebiet. An ihrem Wissenshorizont.
Sie wussten um die biblische Verheißung, dass ein Stern aufgehen wird (4.Mose 24,17). Sie wussten um die Sehnsucht des jüdischen Volks und wahrscheinlich hatten sie selbst auch eine Sehnsucht in sich.
Alles beginnt mit der Sehnsucht… (Nelly Sachs)
So blieben sie nicht an ihrem Ort, in ihrer Tradition, in ihrem (Berufs-)Alltag hängen, sondern machten sich auf den Weg…
Und das nicht mit leeren Händen, denn sie hatten die Erwartung, dass etwas ganz Großes geschehen ist. Sie wollten den König der Könige sehen und anbeten. Und das war ihnen sehr viel wert!
Wonach sehnen wir uns an Weihnachten?
Was erwarten wir? Was bringen wir mit?
Und was tun wir, wenn es dazu kommt, dass (dann) scheinbar alles (doch) nicht klappt?
Wenn alles anders kommt, als das, was wir erhofft haben?
Als das, was wir überhaupt denken können und wollen?
Die Weisen aus dem Morgenland sind dann nicht direkt bei Jesus an der Krippe angekommen, sondern sie sind zuerst in Jerusalem, im Königspalast des Herodes „gestrandet“. Hängengeblieben.
Sie konnten sich wahrscheinlich gar nichts anderes vorstellen, als dass der König der Könige in einem Königspalast zur Welt kommt.
Aber dem war nicht so...
Wie sind meine Vorstellungen und Erwartungen von Weihnachten?
Wie sind meine Vorstellungen und Erwartungen von Gott?
Ich?
Woran hänge ich? Wo möchte ich mich verändern (lassen)? Und woran möchte ich vielleicht hängenbleiben (an Weihnachten)?
Mich anhängen, mich verankern, dranbleiben?
Welche Auswirkungen könnte das (dann) für mein Leben haben?
In ein paar Monaten, am 09. April 2025, jährt sich zum 80. Mal der Todestag des evangelischen Theologen und Widerstandskämpfers Dietrich Bonhoeffer.
Neben seinem Liedtext „Von Guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag…“ hat er im Gestapo-Gefängnis auch seine berühmten Worte, sein Fragen und Bekennen „Wer bin ich?“ verfasst:
Wer bin ich?
Sie sagen mir oft,
ich träte aus meiner Zelle
gelassen und heiter und fest,
wie ein Gutsherr aus seinem Schloss.
Wer bin ich?
Sie sagen mir oft,
ich spräche mit meinen Bewachern
frei und freundlich und klar,
als hätte ich zu gebieten.
Wer bin ich?
Sie sagen mir auch,
ich trüge die Tage des Unglücks
gleichmütig lächelnd und stolz,
wie einer, der Siegen gewohnt ist.
Bin ich das wirklich, was andere von mir sagen?
Oder bin ich nur das, was ich selbst von mir weiß?
Unruhig, sehnsüchtig, krank, wie ein Vogel im Käfig,
ringend nach Lebensatem, als würgte mir einer die Kehle,
hungernd nach Farben, nach Blumen, nach Vogelstimmen,
dürstend nach guten Worten, nach menschlicher Nähe,
zitternd vor Zorn über Willkür und kleinlichste Kränkung,
umgetrieben vom Warten auf große Dinge,
ohnmächtig bangend um Freunde in endloser Ferne,
müde und leer zum Beten, zum Denken, zum Schaffen,
matt und bereit, von allem Abschied zu nehmen?
Wer bin ich? Der oder jener?
Bin ich denn heute dieser und morgen ein andrer?
Bin ich beides zugleich? Vor Menschen ein Heuchler
Und vor mir selbst ein verächtlich wehleidiger Schwächling?
Oder gleicht, was in mir noch ist, dem geschlagenen Heer,
das in Unordnung weicht vor schon gewonnenem Sieg?
Wer bin ich?
Einsames Fragen treibt mit mir Spott.
Wer ich auch bin, Du kennst mich, Dein bin ich, o Gott!
In allem Schein und Sein, in allem Strahlen und Fragen, in allem Ringen und Klagen wusste sich Dietrich Bonhoeffer festgemacht in Gott!
Wer ich auch bin, Du kennst mich, Dein bin ich, o Gott!
Nicht aus eigener Kraft. Sondern gehalten von ihm.
So möchte ich auch hängenbleiben.
Nicht nur an Weihnachten! Deshalb bete ich:
Ich steh' an deiner Krippen hier
O Jesu, du mein Leben
Ich komme, bring' und schenke dir
Was du mir hast gegeben
Nimm hin, es ist mein Geist und Sinn
Herz, Seel' und Mut, nimm alles hin
Und lass dir's wohl gefallen. Amen!
(EG 37,1 „Ich steh an deiner Krippen hier“)
Pfr. Bernd Popp - Dezember 2024